Bekanntermaßen sind Hörbücher (im Gegensatz zu Hörspielen) ja nicht so ganz meine Welt: ich brauche meistens doppelt so lang, weil ich dabei gerne einschlafe (für weitergehende Informationen hier klicken), was zudem deutlich die Gefahr erhöht, mit dem Zug an meiner jeweiligen persönlichen Endhaltestelle vorbeizufahren oder gar – Horrorvorstellung jedes Pendlers – auf dem Abstellgleis zu landen. Beim zweiwöchentlichen Bügeln meiner Hemdenausstattung kommt Hörbuchhören ebenfalls nicht in Frage, weil aus dem CD-Spieler in dem einen Zwillingskinderzimmer bereits „Star Wars – Die dunkle Bedrohung“ und aus dem anderen die kürzlich von meiner Tochter in meinem CD-Regal entdeckten „Gesänge von Buckelwalen“ zu hören sind.
Hörbuchhören beim Duschen scheidet ebenfalls aus, weil ich bekennender Kurzkaltduscher bin (irgendwie muss der Sommerurlaub ja finanziert werden) und im Auto geht es auch nicht, weil es meistens meine Frau hat, um damit zur Arbeit oder zum Pferd zu fahren und ich auch nicht einfach mal so nur wegen der schönen Stimme von Gerd Heidenreich nach Berlin und zurück fahren will. Beim gelegentlichen Kochen für die Kinder ist es ebenfalls unmöglich, konzentiert zuzuhören, weil es erstens schnell gehen muss und zweitens immer wieder eingeworfene skeptische Kommentare der Kinder („Was ist das Grüne?“ … „Riecht gut, schade, dass ich sowas nicht esse!“ … „Ich will Müsli!“) ebenfalls nicht hörförderlich sind.
Trotzdem ich zumindest im Winterhalbjahr, wenn mich mein Lauf-Rundkurs aufgrund der Dunkelheit nur mehrfach um den Zoo führt, gelegentlich beim Joggen Musik höre, bin ich bisher auch nicht auf die Idee gekommen, einmal beim Laufen einem Hörbuch zu lauschen. Wenn ich die große Runde durch den nahen Wald laufe, verzichte ich sowieso grundsätzlich auf die Mitnahme des MP3-Players, weil ich dann lieber offene Ohren für die Natur um mich herum habe.
Doch jetzt ist es doch passiert: ich habe mir bei einem abendlichen Lauf um den Zoo ein Hörbuch auf die Ohrschnittstelle gelegt. Prompt bin glatt zwanzig Minuten länger gelaufen als geplant und vorgesehen, weil es so unglaublich spannend war, dass ich nicht aufhören konnte. Bedeutet das jetzt, dass
a) Hörbücher bald zu den Dopingmittel zu rechnen sind?
b) der nächste Hamburg-Marathon für mich problemlos zu bewältigen ist und ich mich schon mal für den Iron-Man auf Hawai im Oktober bewerben kann?
c) ich mir niemals die komplette Lesung von Herman Melvilles „Moby Dick“ beim Laufen anhören sollte, weil ich dann vermutlich nicht mehr nach Hause komme, sondern irgendwann Tage später erschöpft und verwirrt in München aufgegriffen werde und auf die Frage, wer ich bin, nur noch „Nennt mich Ismael!“ stammeln kann?
Man weiß es einfach nicht. Vielleicht lag es auch am Thema des Hörbuches, nämlich der „gelbflügeligen Grabwespe“. Oder an Gerd Heidenreich. Vielleicht beeindrucken mich Erzählungen über gelbflügelige Grabwespen, die Gerd Heidenreich heissen – pardon: von ihm vorgelesen werden – derart, dass ich – ähnlich emsig wie dieses Tier gräbt – nicht mehr aufhören kan zu laufen. Zum Glück für mich: unaufhörliches Graben wäre nicht so gut gewesen in Anbetracht der naheliegenden U-Bahn-Schächte.
Fest steht, dass die Schilderungen Jean-Henri Fabres über das erwähnte Insekt, die Gerd Heidenreich gewohnt schön vorliest, mich dermaßen beeindruckt haben, dass an dieser Stelle in Kürze die Rezension zu diesem dopingverdächtig beeindruckenden Hörbuch zu finden sein wird und ich beim nächsten Laufen „Der heilige Pillendreher“ (gleicher Autor, gleicher Vorleser) auf die Ohrschnittstelle lege. Hauptsache, ich schiebe danach nicht völlig versunken rückwärts Autos durch die Gegend und vergrabe sie im Garten.
Bildquelle: Pixabay.com
Hat dies auf N'achACHTcafé rebloggt und kommentierte:
So wunderbar beschrieben… ich komme aus dem Schmunzeln nicht raus. Dazu: Druckfrische| Das ERSTE
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Danke für das Rebloggen und die freundlich-launigen Worte! Herzlich grüßt Jarg
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Pingback: [Die Sonntagsleserin] KW #11 – März 2014 | Phantásienreisen
Danke für das Rebloggen 🙂
Herzlich grüsst
Jarg
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Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #11 – März 2014 | Bücherphilosophin.
Hey, ich habe Tränen gelacht, mein Tag war nicht besonders vergnüglich, aber jetzt werde ich mit einem Lächeln einschlafen.
Fang bloß nicht mit dem ‚Lied von Eis und Feuer‘ an. Wenn man sich erst mal eingehört hat, macht das süchtig, gelesen übrigens von Reinhard Kuhnert und das perfekt. Was für eine Leistung dahinter steckt…… Jedenfalls würdest du dann vermutlich nie mehr nach Hause kommen ;-). Ich bin jetzt bei Band 12, habe also so ca. 120 Stunden hinter mir 🙂
Danke für den vergnüglichen Post und ich freue mich auf die Rezension! LG!
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Liebe Lichtbildwerkerin,
das freut mich und ich hoffe, das Lächeln hat sich bis zum Start in diesen Morgen gehalten! Die Rezension erscheint übrigens morgen.
„Das Lied von Eis und Feuer“ klingt durchaus hörenswert – ich werde mir das mal für die klassische Bügelvariante merken für die Zeit, wenn meine Zwillinge in das Alter für diese Art der Literatur gekommen sind. Kann aber auch sein, dass dann Punk aus dem einen und Schlager aus dem anderen Jugendzimmer mein Hörbuchvergnügen beeinträchtigen. Wer weiss das schon so genau.
Einen feinen Tag wünscht Dir
Jarg
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Beeindruckt von dem Bild mit dem Läufer dachte ich, les ich doch mal was da drunter steht und das schmunzeln hört ja gar nicht mehr auf. Danke dafür 🙂 Hörbücher sind mir für’s Laufen definitiv zu lange, denn das Phänomen, mit Stöpsel im Ohr länger durchzuhalten, ist mir sehr gut bekannt. Ich habe deshalb auf Wissens-Podcast umgeschwenkt (z.B. von Radiowissen von Bayern2), das kann ich sehr gut für kurze Runden zwischendurch empfehlen 😉
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Das besagte Hörbuch war „nur“ gut 70 Minuten lang – und längere würde ich sicher nicht zum Laufen mitnehmen. Wahrscheinlich wird das auch eine exotische Situation bleiben, beim Laufen Stöpsel im Ohr zu haben. Obwohl mich der Wissens-Podcast, den Du erwähnst, auf das von mir sehr geliebte „Zeitzeichen“ bringt, dass es ja auch als Podcast gibt und dass ich zur tatsächlichen Sendezeit viel zu selten hören kann. Da ist also beim Laufen noch Musik oder besser Radio drin 😉
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Warum kommt mir diese Bügelstrategie so bekannt vor … ? 😉
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Siehste mal … 😉
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Ich dachte immer, ich wäre damit allein auf weiter Flur! 😉
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Natürlich nicht. Wir sind nicht allein. Tausenden geht es ähnlich. Nur den Bundesverband dazu gibt es nicht … NOCH NICHT!
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Ich lach mich krumm! Der Verband der „Vierzehntagbügler“, der vermutlich nach dem ersten Mucks von der Damenwelt mit Spott und Hohn übergossen wird … 😉
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Da wird dann gleich eine Damensektion aufgemacht. Und natürlich gibt es bald verbandsinterne Streitigkeiten, weil ein Teil der Verbandsmitglieder der Meinung ist, dass man die Ärmel NACH dem Rest bügeln muss und weitere Mitglieder, die nur die Teile Bügeln, die nicht vom Sakko bedeckt werden. Das führt dann rasch zu drei Verbänden: Vierzehntagsbügler VVBD (Verband der Vierzehntagsbügler Deutschland), ISFAG (Iron Sleeve First Assoc. Germany) und JIV (Just Iron the Visible). Und die haben dann alle einen Sitz in Berlin.
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Fantastisch, diese Partei hat das Zeug für höchste Ehren und noch schnellerem Niedergang! Bezüglich der Ärmel müssen wir noch einmal ein ernstes Wort reden, denn die dürfen absolut nicht zuletzt gebügelt werden, das würde ihre hemdsärmeligen Gefühl unverhältnismäßig hoch belasten und womöglich sogar eine vorzeitige Abnutzung zur Folge aben … 😉
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Ja, so bügle ich auch: erst die Ärmel. Aber dann gibt es ja noch Leute, die Bügeln NICHT von der unrechten Seite (Ganz übel, weil dann die schöne Seite blank werden kann). Die gründen dann auch einen eigenen Verband. Es hört nicht auf … 😉
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Ein Ende ist nicht in sich, außer es setzen sich die bügelfreien Hemden durch, dann ist alles im Eimer …;-)
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DAS wäre eine Katastrophe … ganz klar! Das buegelfreie Hemd muss unbedingt durch enge gesetzliche Auflagen (nur noch auf Hallig Hooge erlaubt) an seiner Weiterverbreitung gehindert werden. Gründen wir also die ProBE (Partei für rechtschaffendes und ordentliches Buegeln in Europa).
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Halleluja und das in aller Hergottsfrühe! Wie soll ich dem Leben noch mit dem entsprechendem Ernst begegnen? 😉
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Ach, der Ernst des Lebens wird allgemein überschätzt. Ausser beim Bügeln. Da gibt es kein Erbarmen 😉
Ein zauberhaftes Wochenende wünscht
Jarg
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Unterschätz die Wochenende nicht, die können einen auch ganz schön niederbügeln! Aber trotzdem herzlichen Dank! 😉
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🙂
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Das ist interessant, ich laufe viel mit Musik und noch nie mit Hörbuch.
Manches mal weiß ich aber nach der Stunde gar nicht mehr so richtig was ich eigentlich gehört habe. Wenn dies beim Hörbuch natürlich auch so wäre, dann wäre es zumindest immer wieder neu spannend…
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Das koennte mir natürlich auch passieren … denn bei einem guten Lauf komme ich manchmal so in den Flow, dass ich nichts mehr um mich herum registrieren kann, ganz in der Bewegung versunken bin. Da würde dann wohl das schönste Hoerbuch an mir vorbeigehen!
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Wunderbar geschrieben! Ich mag beim Laufen auch keine Musik hören, mir sind die Geräusche im Park lieber – und Opernmusik hat auch keinen guten Laufrhythmus…
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Nee, Oper geht gar nicht: der Gefangenenchor aus „Nabucco“ („Teure Heimat, wann seh‘ ich dich wieder …“) koennte drei Kilometer vor der eigenen Haustür doch demotivierend wirken. Dann lieber hämmernde Spechte und roehrende Hirsch …
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Bei diesem Text musste ich sehr schmunzeln! Außerdem bin ich jetzt ganz neugierig auf das von dir erwähnte Hörbuch. Die meisten Hörbücher, die mich interessieren (Thema Naturwissenschaften), gibt es leider nur auf englisch, aber dieses könnte genau das richtige für mich sein. Denn die Bücher von Fabre haben mich schon öfter in Versuchung gebracht.
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Nach diesem schönen Kommentar ziehe ich die Rezension des besagten Hoerbuches doch glatt auf diesen Donnerstag vor. Also noch gut 30 Stunden Geduld … und herzliche Gruesse von
Jarg
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Neulich auch angefangen, mir Hörbücher einzuverleiben. Habe große Freude daran, hätte ich früher nie gedacht 🙂
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Leider gibt es für mich zu wenige Gelegenheiten, Hoerbuecher zu hören … und wenn, dann nur mit den genannten Einschränkungen. Leider. Denn es gibt sicher viele Perlen darunter und eigentlich mag ich es, wenn man mir vorliest!
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Ha, ertappt! 🙂
Das mit dem Abstellgleis ist mir bereits einmal passiert in der Frankfurter U-Bahn … ebenfalls mit einem Buch in der Hand … 🙂
Und falls der Ironman wirklich angestrebt werden sollte, wäre diese Vorgehehensweise sicherlich unterstützend und förderlich, denke ich mal.
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Ich sehe schon den Buchtitel: „Hundert Meilen mit Hoerbuechern : ein Trainingsbuch für schnelle Ohren“. 😉
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Hi, hi, hi … 🙂
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Vielleicht gewinnt der HSV dann wieder: „Per Ohr zum Tor: mit Vorlesen zum Ball pesen“!
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